CUTOFF Tony Cragg, Tatsuo Miyajima, Bettina Pousttchi, William Tucker
26. Juni—1. August 2020

CUTOFF Tony Cragg, Tatsuo Miyajima, Bettina Pousttchi, William Tucker

26. Juni—1. August 2020
Buchmann Galerie
Pressemitteilung

Der Begriff Cutoff wird im Englischen vielseitig verwendet und meint etwa den Punkt an dem etwas stoppt, kann aber auch für eine räumliche Beschreibung verwendet werden, wenn etwa von der Abkürzung eines Wegs gesprochen wird, um schneller an ein Ziel zu gelangen. In der Analytischen Chemie wiederum bezeichnet Cutoff einen Toleranzwert von Drogen und Medikamenten. Er legt fest, ab wann ein Testergebnis positiv bzw. negativ zu bewerten ist. Und dann meint der Begriff ganz einfach nur, dass etwas abgeschnitten wird. 

 

Interessanterweise können alle Bedeutungen auch auf die Bildhauerei übertragen werden und auf das bildhauerische und künstlerischen Schaffen. Wo liegt der Punkt, wo ein künstlerischer Prozess endet, wie kann ein künstlerischer Vorgang verdichtet oder verkürzt werden und  wo wird einer Form etwas hinzugefügt, ausgelassen oder abgeschnitten. 

 

Die zwei Wandarbeiten, Cat‘s Cradle IV, 2020 und Porte VI, 2020, von William Tucker bestehen aus tiefen 6 cm breiten schwarzen Rillen die in die Wand geschnitten sind und ein negatives Relief ausbilden. Die Arbeiten beziehen sich auf Skulpturen aus den frühen 1970er Jahren, die Tucker aus Metallstäben geschweisst hat. Die Mural Engravings übersetzen wesentliche Aspekte dieser frühen Skulpturen in einer Art Schattenwurf auf die Wand als skulpturalen Negativraum.

 

Als räumliches Gegenstück zu Tucker zeigt sich Bettina Pousttchi’s Wandrelief Framework. Ausgangspunkt der Arbeit sind Fotografien der Künstlerin von Fachwerkhäusern, die sie digital bearbeitet hat. Ähnlich einem 3D Print wurden die Fotodateien aus Ton geschnitten und in ein keramisches Modul übersetzt. Als ornamentale Komposition entsteht eine Dynamik im Raum zu der Chris Dercon im Gespräch mit der Künstlerin bemerkt: „Ich denke, dass Du viel weiter gehst und über das Ornament nicht nur als eine Form von Lebendigkeit, sondern auch als eine Form von Belebung nachdenkst.” (*) Framework verbindet die Architektursprache des europäischen Kulturraums mit der des Nahen Ostens. Dieser Verschränkung der Perspektiven liegt ein transnationaler Gedanke zugrunde, der zentral ist für das Werk der Künstlerin und auch in der aktuellen Ausstellung von Bettina Pousttchi in der Berlinischen Galerie (bis zum 17. August) zu sehen ist. Die serielle, nichthierarchische Anordnung beinahe identischer Module erinnert an Carl Andre oder Donald Judd, ruft zudem aber eine Vielzahl kultureller, historischer und autobiografischer Assoziationen hervor. 

 

Reich an Assoziationen ist auch die neue Wandarbeit Counter Object - 000 von Tatsuo Miyajima, eine riesige Ziffer aus farbigem Spiegelglas. Jeden Tag wird eine neue Ziffer nach dem Zufallsprinzip installiert. 

Der Spiegel ist hochsymbolisch. Er lässt uns erkennen, dass wir in der Erscheinung der Wirklichkeit nur uns selbst spiegeln. Wir sehen die Gesetze der Natur nur durch unsere aktuellen wissenschaftlichen Modelle. Miyajima führt uns die Begrenztheit dieses Systems vor Augen: es gibt nur 9 Ziffern, um eine unendlich große, nicht greifbare Wirklichkeit einzufangen. Was wir erkennen, ist nur ein kleiner zeitlicher Ausschnitt. 

 

Ausschnitt oder Schnitt ist auch bei der gelben Skulptur Parts of Life von Tony Cragg ein wesentlicher Kern der Arbeit. Sie gehört zu der zentralen Werkgruppe Early Forms, mit der sich der Künstler seit den späten 1980er Jahren immer wieder beschäftigt und stets weiter entwickelt. Aufgangspunkt ist die Verkettung unterschiedlicher Gefässformen. Das Ineinander von gewundenen und gedrehten Formen, von Rundungen, Wülsten und Einbuchtungen, versinnbildlicht das Wachstum von Lebensformen als Gestaltungsprinzip der Natur. Den ausgebuchteten Formen setzt Tony Cragg hier die radikale Klarheit der geometrischen Form entgegen, indem er die Skulptur zu einem Würfel beschneidet. Die so freigelegte Innenform erinnert nun plötzlich an Sedimentablagerungen in der Natur und schafft einen Bogen von den utilitären Gefässen zu einem mathematischen Verständnis der Natur. 

 

 

(*) Chris Dercon im Gespräch mit Bettina Pousttchi, in The City, Hg. Susanne Pfleger, Städtische Galerie Wolfsburg und Jeremy Strick, Nasher Sculpture Center Dallas, Ostfildern, 2015

Tony Cragg

Geboren 1949 in Liverpool, UK. Lebt und arbeitet in Wuppertal, Deutschland.

Tatsuo Miyajima

Born 1957 in Tokyo. Lives and works in Ibaraki, Japan.

 

2012 - 2016 Kyoto University of Art & Design Vice President

2006 - 2016 Tohoku University of Art & Design Vice President

William Tucker

Geboren 1935 in Kairo, Ägypten. Lebt und arbeitet in Massachusetts, USA