Skulptur und Zeichnung

‘Tatsuo Miyajima, photo: Nobutada Omote’
Tatsuo Miyajima, photo: Nobutada Omote

Mit blinkenden Leuchtdioden erlangte Tatsuo Miyajima internationale Bekanntheit. Seit der japanische Künstler 1987 begann, mit Licht emittierenden Dioden (LED) zu arbeiten, entwickelte er ein unverwechselbares Oeuvre, das heute vom Künstler nicht mehr zu trennen ist. 

 

Anfangs waren es ausschließlich rote und grüne Leuchtdioden, die er zu Reliefs und Skulpturen zusammenfügte. Einige Jahre später erlaubte ihm die weiter entwickelte Technik das Farbfeld um Blau und Weiß zu erweitern und bietet ihm heute eine Fülle von farblichen Möglichkeiten. 

 

Allerdings setzt Miyajima nicht allein auf die einnehmende Wirkung des Lichtes der Dioden, die von 1 bis 9 oder von 9 bis 1 aufblinken. Er benutzt vielmehr unterschiedliche Systeme, in denen die Ziffern sichtbar werden. Das Zählen folgt entweder einem vom Künstler festgelegten Rhythmus oder einer sich zufällig ergebenden wechselnden Geschwindigkeit. Dadurch entstehen Choreografien eines nicht vorhersehbaren Bildes von aufscheinenden Clustern und Bewegungen. 

 

Das reicht vom Einsatz weniger LEDs bis zu monumentalen Werken mit 2400 LEDs wie „Mega Death“, einer Rauminstallation mit blauen LEDs, die Tatsuo Miyajima im japanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig 2001 erstmals installierte. 

 

Das Zählen der Dioden, das eine Art von Bewegung in Zeit und Raum suggeriert, ist für den 1957 in Tokio geborenen Künstler keine rein technisch bedingte, technizistische Angelegenheit. Ganz im Gegenteil: Miyajima lädt seine Dioden-Cluster mit Bedeutung auf, indem er konzeptuell ein Band zwischen moderner Technologie und fernöstlicher, buddhistischer Philosophie knüpft. 

 

Für ihn symbolisieren die  sich wiederholenden Zahlenreihen den Zyklus des Lebens – das Ineinandergefügt sein von individuellem und kollektivem Sein. „Eine Konstante des Lebens ist die Tatsache, dass wir uns stets verändern“, sagt Miyajima. Daher hat auch die Zahl 0 keinen Platz in seinem Werk, denn diese steht für das Endgültige. „Wir Menschen geben uns der Illusion hin, dass wir alles tun können, und wir versuchen, die Natur nach unseren Vorstellungen zu manipulieren“, sagt Miyajima. „Aber die Natur und das Universum verhalten sich auf unvorhersehbare Weise.“ 

 

Dieser nicht vorausberechenbare, permanente Wechsel, diese Ungewissheit über das, was im nächsten Moment geschehen kann, spiegelt sich nicht nur in seinen eindrucksvollen Werken wider, sondern auch in seinen künstlerischen Parametern: „Keep changing / Connect with everything / Continue forever!“  

 

Durch die Verschmelzung von Technologie und Spiritualität lädt die Arbeit von Tatsuo Miyajima zur Kontemplation über die Vergänglichkeit des Lebens ein und bietet eine Vision von Kontinuität, die die Grenzen von Zeit, Raum und Individualität überschreitet.

 

Wichtige Werke des Künstlers sind unter anderem vertreten in den Sammlungen der Tate Gallery London, der La Caixa Barcelona, der Deste Foundation Athen, dem Museum of Contemporary Art Chicago, im Museum of Contemporary Art Tokyo, dem Leeum Seoul, und - vermittelt durch die Buchmann Galerie - dem Kunstmuseum Bern, der Bayerischen Staatsgemäldesammlung München und dem M+ in Hong Kong.

 

Weitere Einblicke in das Werk des Künstlers gibt die Publikation Tatsuo Miyajima – Connect with Everything, erschienen anlässlich der gleichnamigen Ausstellung des Künstlers im Museum of Contemporary Art Australia, 2017